Aktuelles

PM: Strafbefehl gegen Mitarbeitende des Fanprojekts Karlsruhe – BAG: „Ein Frontalangriff auf die Soziale Arbeit!“

Der Rechtsstreit um die Folgen einer Pyro-Aktion in Karlsruhe für das dortige Fanprojekt ist um ein trauriges Kapitel reicher: Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe hat gegen die Mitarbeitenden einen Strafbefehl über 120 Tagessätzen à 60€ wegen Strafvereitelung veranlasst. „Dieser Strafbefehl macht uns fassungslos. Er ist ein frontaler Angriff auf das Berufsfeld der Sozialen Arbeit“, zeigt sich die Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) in einer ersten Stellungnahme entsprechend schockiert.

Der Karlsruher Rechtsstreit hatte zum Ende des vergangenen Jahres bundesweit Schlagzeilen gemacht: Nachdem die hauptamtlich Mitarbeitenden des sozialpädagogischen Fanprojektes nach einer Pyro-Aktion im Karlsruher Stadion eine professionelle Aufarbeitung mit den Fans initiiert hatten, versuchte die dortige Staatsanwaltschaft, hieraus Informationen für das laufende Verfahren zu gewinnen und lud das Karlsruher Fanprojekt als Zeug*innen vor. Die Mitarbeitenden verweigerten jedoch, mit Verweis auf die zugesagte Vertraulichkeit der Gespräche, die Aussage. Zuletzt stand deshalb sogar eine Beugehaft für die Fanprojekt-Mitarbeitenden im Raum, um die Aussagen zu erzwingen. Diese Beugehaft konnte jedoch in letzter Sekunde abgewendet werden.

„Der Versuch der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die professionelle Arbeit des Fanprojekts Karlsruhe, die sich einem sensiblen Thema vor Ort mit einem sozialpädagogischen und moderierenden Ansatz genähert hat, nun als eine Strafvereitelung darzustellen, ist hochgradig perfide und juristisch nicht begründbar“, so die BAG Fanprojekte weiter. „Die Grundpfeiler der Sozialen Arbeit, nicht nur bei Fußball-Fanprojekten, sind Vertraulichkeit, Parteilichkeit und Freiwilligkeit gegenüber der Zielgruppe – also jenen Menschen, mit denen wir pädagogisch und präventiv gemäß unseres Auftrags arbeiten. Nur wenn dieses Vertrauensverhältnis aufrechterhalten wird, können Fanprojekte nachhaltig Arbeit gegen Gewalt, Rassismus und Diskriminierung leisten. Dies findet seit Jahrzehnten bundesweit Anerkennung.“

Das Agieren der Staatsanwaltschaft Karlsruhe unterstreiche einmal mehr, wie dringend ein Zeugnisverweigerungsrecht (ZVR) für die Soziale Arbeit gebraucht werde: „Das Berufsbild hat sich weiterentwickelt und die jetzige Ampel-Koalition muss nach dem ‚Fall Karlsruhe‘ der Sozialen Arbeit die gesetzliche Möglichkeit verschaffen, die Aussage in sensiblen Fragen verweigern zu dürfen. Es darf nicht der Willkür einzelner Staatsanwälte überlassen sein, ob sie die Arbeit von Sozialarbeiter*innen und Sozialpädagog*innen als professionellen Ansatz würdigen, oder ob sie hieraus im schlimmsten Fall sogar Straftaten konstruieren“, fordert die BAG Fanprojekte.

Zuletzt dürfe auch das persönliche Schicksal der Kolleginnen und Kollegen aus Karlsruhe nicht vergessen werden: „Hier geht es um Menschen, die seit Monaten auch im Privaten einem enormen Druck der Justiz ausgesetzt und mit einer Vorstrafe bedroht sind – und das nur, weil sie ihren Beruf nach fachlichen Standards ausgeübt haben. Es ist unfassbar, dass Menschen im Jahr 2024 für ihre anerkannte und nachhaltig wirksame Arbeit strafrechtlich belangt werden können.“

Die BAG Fanprojekte steht daher geschlossen hinter den Kolleginnen und Kollegen in Karlsruhe. Ein solcher Fall darf sich nicht wiederholen.

Kontakt: info@bag-fanprojekte.de


Fanprojekte zu Gast im Bundestag

Am 16.11.2023 besuchte der Regionalverbund Ost der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte den Bundestag und führte Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten Tino Sorge (CDU) und Boris Mijatović (B90/G). Im Fokus stand das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit und insbesondere der Jugend- und Jugendsozialarbeit mit Fußballfans.

Wir bedanken uns für die sehr guten Gespräche und die Gastfreundschaft und freuen uns auf den kommenden Austausch.

Der Besuch im Bundestag fand im Anschluss an die turnusmäßige Sitzung am Vortag des Verbundes im Fanprojekt Babelsberg statt.


Pressemitteilung: Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit nötiger denn je

Staatsanwaltschaft Karlsruhe lässt Verfahren nicht ruhen:
Strafvereitelung gegen Fanprojekt-Mitarbeiter*innen steht im Raum –
Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit nötiger denn je!

Es dürfte ein trauriges Novum in der Bundesrepublik Deutschland sein: Im aktuellen Rechtsstreit zwischen der Staatsanwaltschaft Karlsruhe und dem dortigen Fanprojekt hat die Staatsanwaltschaft zwar nun doch keine Beugehaft gegen die Fanprojektler*innen beantragt, setzt die Kolleg*innen jedoch weiterhin unter Druck. Es wird geprüft, ob ein Verfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung eröffnet wird. Weil sie das besondere Vertrauensverhältnis zu ihrer Zielgruppe, wohl dem zentralen Grundpfeiler der Sozialen Arbeit, nicht auf das Spiel setzen können und wollen, sind hauptamtliche Mitarbeitende aus diesem Bereich weiterhin mit rechtlichen Konsequenzen bedroht. Und das nur, weil sie kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen.

„Es ist absurd, dass die Staatsanwaltschaft hier keine Ruhe geben will“, erklärt Matthias Stein, Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ). „Nicht nur, weil Kolleg*innen persönlich betroffen sind. Sondern auch, weil hier offenkundig ein Exempel statuiert werden soll, dass die grundsätzlichen Errungenschaften der Sozialen Arbeit bundesweit massiv gefährden und zurückwerfen kann.“

Im Zuge ihrer Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Mitarbeitende des Fanprojekts als Zeug*innen vorgeladen. Diese standen somit vor einem unsagbaren Dilemma: Einblicke aus der Aufarbeitung, die ihnen unter dem Gesichtspunkt absoluter Vertraulichkeit im Rahmen ihrer Arbeit gewährt wurden, an Ermittlungsbehörden weiterzugeben, was vergleichbare Formate für die Zukunft wohl unmöglich gemacht hätte, oder zu schweigen. Als professionelle Mitarbeiter*innen der Sozialen Arbeit entschieden sie sich für Letzteres, um das Vertrauen, das ihnen ihre junge Zielgruppe entgegengebracht hatte, nicht zu gefährden. „Soziale Arbeit benötigt ein besonderes Vertrauensverhältnis, um ihren Auftrag erfüllen zu können“, unterstreicht Georg Grohmann, ebenfalls Sprecher des BfZ.

Ordnungsgelder waren zunächst die Folge, die Beugehaft stand sehr konkret im Raum. Hierauf verzichtete die Staatsanwaltschaft nun, prüft jedoch die Möglichkeit einer Anzeige wegen Strafvereitelung gegen die Mitarbeiter*innen: „Die Politik muss jetzt handeln! Der aktuelle Fall zeigt leider auf eine inzwischen dramatische Art und Weise, wie essenziell ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit ist. Das unterstreichen auch unsere verschiedenen Netzwerkpartner*innen und die Wissenschaft seit langem.“, so Georg Grohmann. „Wir Hauptamtlichen in der Sozialen Arbeit brauchen eine Möglichkeit, uns und die Professionalität unserer Arbeit zu schützen. Selbstverständlich fordern wir die Staatsanwaltschaft Karlsruhe auch auf, alles dafür zu tun, dass sich die Mitarbeitenden des Fanprojekts endlich wieder auf ihre Arbeit mit ihrer Zielgruppe konzentrieren können. Ein solcher Fall darf sich unter keinen Umständen wiederholen“, macht Matthias Stein abschließend deutlich.

Kontakt zu den Sprechern des BfZ:

Matthias Stein
ms@fanprojekt-jena.de
0173-3970701

Georg Grohmann
grohmann@bag-streetwork.de
0157-71418265


Pressemitteilung des Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit

Soziale Arbeit hat sich in den letzten Jahrzehnten enorm professionalisiert und weiterentwickelt, dies gilt insbesondere auch für die Soziale Arbeit mit Fußballfans. Die Vertrauenesbeziehung zwischen den Klient*innen und den Sozialarbeiter*innen ist der Grundsatz für eine gelingende Arbeit. Dieser Grundsatz muss zwingend durch ein Zeugnisverweigerungsrecht geschützt werden, wie der aktuelle Fall unserer Kolleginnen und Kollegen aus Karlsruhe noch einmal verdeutlich.
Deshalb möchten wir uns uneingeschränkt der Stellungnahme des „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit“ anschließen und fordern ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit!

Im folgenden teilen wir hier die Stellungnahme des „Bündnis für ein Zeugnisverweiherungsrecht in der „Sozialen Arbeit“.

Fast im Knast?! – Stellungnahme zu Vorladungen der Karlsruher
Fanprojekt-Mitarbeitenden

Ein Zeugnisverweigerungsrecht für die Soziale Arbeit ist dringend notwendig, wie ein aktueller Fall in
Karlsruhe zeigt. Dort sehen sich die Mitarbeiter*innen des Fanprojektes Karlsruhe momentan einer
beruflich wie privat extrem belastenden Situation ausgesetzt.

Fanprojekte arbeiten im Rahmen des NKSS (Nationales Konzept Sport und Sicherheit) und leisten in
Fanszenen Soziale Arbeit auf Grundlage der §§ 11 & 13 des SGB VIII.

Im Nachgang der Geschehnisse beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli am 17. Spieltag gelang es den
Karlsruher Mitarbeiter*innen, intensive Reflexionsprozesse zu begleiten, Aufarbeitung zu ermöglichen
und Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen, um Versöhnung zu ermöglichen und
Verhaltensänderungen anzustoßen. Dies alles war nur möglich, weil die Mitarbeiter*innen durch gute
Soziale Arbeit über Jahre ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Fanszenen aufgebaut haben.

Dies ist ihr gesellschaftlicher Auftrag – dessen vorbildhafte Erfüllung hier nun zum Grund wird, dass sie
momentan einer zeugenschaftlichen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ausgesetzt
sind. Preisgegeben werden sollen Inhalte aus den Gesprächen im Nachgang des Spieltages, die durch
ein besonderes Vertrauen geprägt und überhaupt nur dadurch möglich waren.
Aus gutem Grund sieht das Gesetz im §203 des StGB für Sozialarbeitende eine Schweigepflicht vor,
deren Verletzung mit bis zu einem Jahr Haft bestraft werden kann. Soziale Arbeit findet in vielen Fällen mit Menschen und Gruppen statt, die sich in schwierigen Lebenssituationen befinden oder deviante
Verhaltensweisen zeigen. Ohne darauf vertrauen zu können, dass das von ihnen Gesagte nicht gegen
sie verwendet wird, können Konfliktlösungen und wirksame Hilfen nicht begleitet werden. Wie sollen
denn ganzheitliche Hilfsangebote aussehen, wenn die Beteiligten nicht offen reden können und
Sozialarbeitende nur die halbe Wahrheit kennen? Wie soll Vertrauen überhaupt entstehen, wenn stets
darauf geachtet werden muss, was man im vertraulichen Gespräch preisgibt?

In Karlsruhe wird gerade versucht, diesen Kernbereich der Sozialen Arbeit zu nutzen, um
strafprozessuale Erkenntnisse zu gewinnen.

Das besondere Vertrauen, welches eine gelingende Soziale Arbeit überhaupt erst ermöglicht, durch
das Brechen der Schweigepflicht zu zerstören, hat weitreichende Auswirkungen über den Einzelfall
hinaus. Die Geschehnisse in Karlsruhe betreffen also nicht nur die Mitarbeiter*innen vor Ort und auch
nicht nur die aufsuchende und mobile Sozialarbeit mit jugendlichen und heranwachsenden
Fußballfans, sondern gefährdet alle Bereiche der Sozialen Arbeit, denen ein besonderes
Vertrauensverhältnis zugrunde liegt.

Das Streben nach strafprozessualem Erkenntnisgewinn aus Inhalten vertraulicher Gespräche im
Rahmen von Sozialer Arbeit macht solche Gespräche unmöglich.

Die Androhung von Ordnungsgeld und Beugehaft macht diese Arbeit für Mitarbeiter*innen
unzumutbar.

Wir fordern die Politik auf, das besondere Vertrauensverhältnis als notwendiges und schützenswertes
Gut der Sozialen Arbeit endlich anzuerkennen. Schaffen Sie die rechtlichen Rahmenbedingungen,
welche die Fachkräfte der Sozialen Arbeit benötigen, um ihren öffentlichen Auftrag erfüllen zu können.
Beenden Sie die Farce, dass Fachkräfte ihrem Auftrag nicht nachkommen können, ohne ihre Freiheit
zu riskieren.

Die Soziale Arbeit braucht ein Zeugnisverweigerungsrecht.
Jetzt!

Kontakt zu den Sprechern des BfZ:
Matthias Stein                                                                            Georg Grohmann
ms@fanprojekt-jena.de                                                             grohmann@bag-streetwork.de
0173-3970701                                                                              0157-71418265
www.zeugnis-verweigern.de


Polizeiliche Maßnahmen behindern die Arbeit der sozialpädagogischen Fanprojekte

Als Arbeitskreis Stadionverbote und Repression der BAG-Fanprojekte erreichen uns seit Jahresbeginn 2023 zunehmend Berichte von polizeilichen Übergriffen und Drohungen gegenüber Mitarbeiter*innen der Fanprojekte, die nun mit den Ereignissen rund um das Fanprojekt Karlsruhe um einen neuen bitteren Höhepunkt reicher geworden sind.

Angedrohte Stürmung von Fanprojekt-Räumen, Abhörmaßnahmen, das gezielte Auslesen von Smartphones, auf denen sich auch Nachrichten mit Fanprojekten-Mitarbeiter*innen befinden oder körperliche Angriffe auf Mitarbeitende im Rahmen ihrer Arbeit, Personalienaufnahmen bei dienstlichen Gelegenheiten, aber auch eine zunehmende Anzahl an Vorladungen durch die Polizeien der Länder gehören nicht mehr nur an einzelnen Orten zum Alltag von Fanprojekten.

Wir nehmen diese Maßnahmen mehr und mehr als polizeiliche Eingriffe in die Arbeit der sozialpädagogischen Fanprojekte wahr.

Da im Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB Vlll) eine vertrauliche und anonyme Kontaktaufnahme zu sozialpädagogisch arbeitenden Institutionen garantiert ist und diese zudem auf freiwilliger Basis basiert, müssen wir feststellen, dass das aktuelle Verhalten der Polizeien der Länder und des Bundes unseren Auftrag maßgeblich torpediert und womöglich nachhaltig schadet:

Wieso sollten sich betroffene Fans mit uns in Verbindung setzen, wenn Vertraulichkeit als Basis für das in uns gesetzte weitergehende Vertrauen nicht gewährleistet werden kann? Wie sollten Fanprojekte Angebote aus dem Kontext des Täter-Opfer-Ausgleichs unterbreiten, die dann wiederum aus Smartphones ausgelesen werden? Wieso sollten Fanprojekte die Anreise zu Auswärtsspielen begleiten, wenn bei Regelverletzungen der Fans (und diese streiten wir keines Wegs ab) der Einfachheit halber zunächst mal die Mitarbeitenden vorgeladen werden?

Wir sind keine Gehilf*innen der Polizeien, sondern Sozialarbeiter*innen im Auftrag der Kommunen, der Länder und des Fußballs.

Wir bieten jugendlichen und jungen Erwachsenen Fans Unterstützung und Begleitung an. Wir haben eigene Räume und leisten aufsuchende soziale Arbeit im Kontext Fußball. Wir sind qualifizierte und professionelle Fachkräfte der sozialen Arbeit. Wir sind nah an der Lebenswelt Fußball und bewegen uns in einem komplexen Netzwerk vieler verschiedener Institutionen.

Wir fordern deshalb das Zeugnisverweigerungsrecht auch für die Soziale Arbeit.

Der Arbeitskreis Stadionverbote & Repressionen ist ein Zusammenschluss aus Kolleg*innen der sozialpädagogischen Fanprojekte mit besonderer Expertise in den besagten Themen. Neben der Schulung für Fanprojekt-Mitarbeiter*innen, kollegialer Beratung von Fanprojekten und gelegentlich auch bei Vereinen entsteht ein guter Überblick über aktuelle Entwicklungen. Der Arbeitskreis entsendet für die BAG Fanprojekte eine Vertretung in den Expertenrat Stadionverbote des DFB.


Zeugnisverweigerungsrecht „endlich“ Thema in Berlin – BfZ schafft Bewusstsein für strukturelles Problem Sozialer Arbeit

Immer wiedwerden Sozialarbeiter*innen durch Polizeidienststellener oder Staatsanwaltschaften vorgeladen, um über die eigene Klientel auszusagen. Das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für Mitarbeitende der Sozialen Arbeit schränkt ihre Wirksamkeit ein und behindert vertrauensvolle, aber essenzielle Beziehungen zu verschiedenen Zielgruppen. Elvira Berndt (Geschäftsführerin Gangway e.V.- Streetwork Berlin) konstatiert dies eindrucksvoll in ihrem Eröffnungsvortrag: „Sozialarbeiter*innen müssen verschwiegen sein. Sie arbeiten mit offenen Armen und ohne äußeren Schutz. Ihr einziges Kapital dabei ist: Vertrauen. Und der einzig wirkliche Schutz, den die Gesellschaft unseren Kolleginnen und Kollegen geben kann, ist der Schutz dieses oft hart und über Jahre erarbeiteten Vertrauens. Es ist an der Zeit, dass die Gesellschaft dies auch tut. Ganz im Sinne des Mottos der heutigen Fachveranstaltung: 50 Jahre sind genug!“

Gemeinsam mit Elvira Berndt, diskutierten Vertreter*innen der Regierungsfraktionen MdB Philipp Hartewig (FDP) und MdB Denise Loop (B90/G) mit dem Leiter des Fanprojekts Dresden Ronald Beć und Rechtsanwalt René Lau in einem von Christoph Ruf (Journalist) moderierten Podiumsgespräch über das fünfzig Jahre alte Urteil des BVerfG sowie aktuelle Perspektiven auf die Frage des dringend notwendigen Zeugnisverweigerungsrechts für die Soziale Arbeit. Über die gesellschaftspolitische Notwendigkeit des besonderen Schutzes des Vertrauensverhältnisses zwischen Sozialarbeiter*innen und ihren Adressat*innen und der damit einhergehenden politischen Verantwortung waren sich die Podiumsteilnehmer*innen einig. „Das Vertrauensverhältnis ist Grundlage jeglicher fachlichen Arbeit“, so Denise Loop. Philipp Hartewig sieht im Rahmen der Professionalisierung der Sozialen Arbeit eine wachsende Bedeutung des Vertrauensschutzes. Der Status quo des § 53 StPO gefährde jedoch den Erfolg sozialarbeiterischen Handelns. Vor dem Hintergrund des angestrebten Reformprozesses handele es sich nach René Lau auch um einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, in dem das Spannungsverhältnis zwischen repressiven und solchen staatlichen Interventionen, die offen-unterstützende und resozialisierende Wirkung entfalten können, verhandelt wird. Fachpolitische Debatten müssen intensiviert werden und „Sozialarbeiter*innen müssen sich mit ihrer besonderen Verantwortung auseinandersetzen“, so Ronald Beć.

Soziarbeitende, die für das Ausüben ihrer Profession in Beugehaft gehen würden, sollten aber das letzte Mittel sein, so Matthias Stein (Sprecher des BfZ). In einer Bündnissitzung am folgenden Tag berieten die Mitgliedsorganisationen und Unterstützer*innen wie das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht Teil des politischen Parlamentsdiskurses wird.

Weitere Informationen und Unterlagen finden Sie auf unserer Homepage www.zeugnis-verweigern.de.
Matthias Stein Sprecher des Bündnisses für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit (BfZ) ms@fanprojekt-jena.de 0173-3970701

Anbei die Pressemitteilung des BfZ zum Download:

Presseinformation_BfZ_13_10_2022


Stellungnahme des Fan-Projekts Bremen e.V. zu den polizeilichen Maßnahmen beim Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg

„Folgend möchten wir eine Einordnung der Geschehnisse in Wolfsburg aus der Sicht der Mitarbeitenden des Fan-Projekts Bremen e.V. geben. Über die Maßnahmen am Wolfsburger Hauptbahnhof wurde schon von der Grün-Weißen Hilfe, von Werder Bremen und der regionalen und überregionalen Presse berichtet. Nach unseren Beobachtungen vor Ort stellen auch wir uns die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.“ […]

fanprojektbremen.de/stellungnahme (Download – PDF Format)


Wir trauern um unseren langjährigen Kollegen Ole vom Fanprojekt Bielefeld

Tief erschüttert trauern wir um Olaf “Ole” Wolff.

Unser langjähriger Mitarbeiter, Kollege und Freund Ole ist tot. Er hat seinen langen und von vielen Rückschlägen geprägten Kampf gegen die Krankheit verloren.

Die Mitarbeiter*innen und der Vorstand des Fan-Projekts Bielefeld verlieren eine zentrale Persönlichkeit des Fan-Projekts und jemanden, der unser Wirken mehr als 21 Jahre entscheidend mitgeprägt hat.

Das Fan-Projekt und die Fanszene Arminias verlieren zudem einen engagierten Kämpfer für Fan-Interessen. Und auch der DSC, dessen Stärke in großem Maße in den treibenden Kräften seines Umfelds liegt, verliert eine ebensolche Kraft.

Wir sind unendlich traurig und können uns kaum vorstellen, wie das Fan-Projekt Bielefeld in Zukunft ohne Ole sein wird.

Im Jahr 2001 kam Ole Wolff als Sozialarbeiter zum Fan-Projekt. Nicht wenige Fans werden da gedacht haben: “Oha, wen hat das FP uns denn da hingestellt?”. Legendär ist beispielsweise das Foto in der Fan-Post, mit dem er seinerzeit vorgestellt wurde (kann auf Wunsch im FP angeschaut werden).

Schnell wurde aber deutlich, welche Rolle Ole beim Fan-Projekt einnehmen würde und mit welcher Ernsthaftigkeit, welchem Engagement und wieviel Herzblut er für seine Arbeit und die Fans eintreten würde. Gleich im ersten Jahr führte ihn sein Weg auf eine nicht einfache Mission: Wir besuchten die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Majdanek und pflegten den Kontakt zu Fans des polnischen Vereins Resovia aus Bielefelds Partnerstadt Rzeszow. Eine Mischung aus Freizeit- und Bildungsangeboten, wie sie auch in den Folgejahren immer wieder einen Arbeitsschwerpunkt bildete. Noch im Jahre 2019 besuchte er mit einer Gruppe Ultras die Gedenkstätten Dachau und Theresienstadt; die letzte Reise dieser Art für ihn.

Auch in der regionalen Erinnerungsarbeit hat Ole deutliche Spuren hinterlassen. So war er eine der treibenden Kräfte der “Julius Hesse AG” des DSC und hat am Themenrundgang “Spurensuche – Arminia und der Nationalsozialismus” mitgewirkt.

Allerdings waren es nicht nur die schweren Themen, die Ole Wolffs Wirken und seinen Wert für uns bestimmt haben: Sein besonderer Humor, seine Diskussionsfreude und nicht zuletzt die Begeisterung für „seine“ Musik zeichneten ihn aus. Insbesondere letztere dürfte ihn bei ungezählten Auswärtsfahrten bis an die Grenzen seiner musikalischen Toleranz gebracht haben: Schlager, Onkelz, Eurodance, HipHop, alles meist nicht so sein Ding. Dennoch hat er in Bussen oder Zügen geduldig den Musikgeschmack der jeweiligen Fangeneration ertragen und sich für die Fans und ihre Interessen, auch gegen ordnungsbehördliche Widerstände, in die Bresche geworfen.

DSC Fans ab Geburtsjahr 1985 kennen Ole vielleicht als Begleiter am Mikrofon von U18-Bussen. Keine Fahrt mit ihm, ohne humorige Lautsprecherdurchsagen zum Quiz oder die gefürchtete Aufforderung zum Aufräumen des Busses. Solche Ansagen gab es natürlich auch bei den vielen Fan-Finals, die er begleitet hat. Dann allerdings mehr als Aufforderung zur Ruhe und dies in den frühen Morgenstunden. Doch auch hier meist mit Humor und Wohlwollen.

Auch im überregionalen Netzwerk der Fanprojekte hat er mit großem Engagement und mit Nachdruck gearbeitet. Hier kam ihm der fachliche Austausch manchmal zu kurz, ein guter Grund, um als Sprecher der nordrheinwestfälischen Fanprojekte aktiv zu werden und den Diskurs anzukurbeln. Eine Aufgabe, die er viele Jahre gerne übernommen hat, dabei hat er auch die Landesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte NRW mitgegründet. Diese ist heute eine wichtige landesweite Interessenvertretung, auch für die Anliegen von Fußballfans.

Zudem hat Ole Wolff das Fan-Projekt-Programm zu Europa- und Weltmeisterschaften der vergangenen zwei Jahrzehnte mitbestimmt und mit geprägt. Hat mit Fans an portugiesischen Stränden gefeiert (EM 04) oder für sie im Jugendzentrum die Leinwand gespannt und den Grill angefeuert. Zur kommenden WM hätte er allerdings sicher nichts gemacht, sondern zu ihrem Boykott aufgerufen.

Der vielleicht größte Verlust tut sich jedoch in der täglichen Arbeit des Fan-Projekts Bielefeld auf. Die für unsere Arbeit so wichtige Analyse der Vorgänge rund um Arminias Fangeschehen bereicherte Ole treffsicherer als jeder Torjäger des DSC.

Er hatte zudem immer ein offenes Ohr für die Probleme und Anliegen der Fans. Durch sein Engagement und seine Lobbyarbeit leistete er einen unschätzbaren Beitrag für die Fankultur in Bielefeld und hat darüber hinaus viele angehende und junge Sozialarbeiter*innen in diesem Arbeitsfeld geprägt.

Die Lücke, die sein Tod hinterlässt, ist nicht zu füllen. Ole Wolff hat im besten Sinne der Fans und des Fan-Projekts das Leitmotiv des DSC für ihre Anliegen verkörpert: stur, hartnäckig und kämpferisch!

Er wird uns unglaublich fehlen.
fanprojektbielefeld.de/wir-trauern/


Pressemitteilung: 28. Jahrestagung der BAG der Fanprojekte

„Es fährt kein Zug nach Nirgendwo – Fanprojektarbeit in ländlichen Räumen“

Unter diesem Titel fand die diesjährige Jahrestagung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte (BAG) auf dem Rabenberg im Erzgebirge statt. Es war dabei nicht überraschend, dass sich schon auf der Talkrunde zur Eröffnungsveranstaltung die Fragen um Angebotsdichte und Erreichbarkeit, Netzwerkbildung, Anonymität oder politische Strukturen drehten und damit Unterschiede zu großen Metropolenregionen schlagwortartig beschreiben. Und natürlich sind diese Unterschieden den Akteuren Sozialer Arbeit im ländlichen Raum, und damit auch Fanprojekten, wohl bekannt. Doch worin differenziert sich die Arbeit in Dortmund und in Plauen? Was macht es aus, wenn 80.000 oder 5.000 Zuschauer*innen im Stadion sind? Braucht es überhaupt Soziale Arbeit mit Jugendlichen in ländlichen Räumen? Das VIII. Sozialgesetzbuch beantwortet diese Frage gleich im ersten Satz: „Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.“ Es braucht also nicht über eine Notwendigkeit gesprochen werden, vielmehr muss festgestellt werden, dass die vorhandenen Angebote nicht ausreichen oder schlecht greifen. Klaus Farin kritisierte in seinem Inputreferat im Rahmen der Auftaktveranstaltung in den Zinnkammern Pöhla e.V., das seit Jahren dieselben Fehler begangen würden. Jugendliche werden schlecht einbezogen, können nicht mitbestimmen und ihre Bedürfnisse werden von Erwachsenen eher vermutet als tatsächlich gemeinsam mit ihnen identifiziert. So würde beispielsweise in keinem einzigen Beirat der Verkehrsverbünde auch nur ein*e Jugendliche*r sitzen, und das, wo gerade die schlechte Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr eine große Herausforderung für junge Menschen ist. Dieser Umgang der Erwachsenenwelt mit jungen Menschen ist schwer verständlich, sind doch gerade ländlichere Gebiete auf die Jugendlichen angewiesen. Und die wollen, aktuellen Studien zufolge, auch gerne bleiben. Fanprojekte haben an dieser Stelle entscheidende Vorteile. Die Leidenschaft für Fußball und einen Verein verbindet und bringt junge Fans aus der Region in den Stadien zusammen. Eine ideale Voraussetzung für die Kontaktaufnahme und Beziehungsarbeit durch die Sozialarbeiter*innen gerade in Regionen, wo es wenig vergleichbare Angebote Sozialer Arbeit gibt. Die Fansozialarbeit orientiert sich mit ihren partizipativen und offenen Angeboten an den Bedarfen der Fans und ihrer Lebenswelt. Dabei reicht das Portfolio von Beratungsangeboten, über das zur Verfügung stellen von Räumlichkeiten und weiterer Infrastruktur, Outdooraktivitäten oder U18-Fahrten zu Auswärtsspielen. Damit sind Fanprojekte – gerade in ländlichen Räumen – ein unverzichtbarer Bestandteil der ausgedünnten Hilfelandschaft, darüber waren sich die Podiumsgäste einig.

Der zweite Tagungstag beinhaltete eine Vielzahl von Workshops. Ein Schwerpunkt lag dabei auf der Konzipierung erlebnispädagogischer Angebote, welche abseits von Großstädten und Ballungsgebieten einfach realisiert werden können. Die Tagung endete mit der turnusmäßigen Mitgliederversammlung der BAG Fanprojekte e.V. Die nächste Tagung wird im März 2023 in Lübeck stattfinden.

 

Sophia Gerschel/Christian Keppler

BAG Sprecher*innen

 

Zur Pressemitteilung


Soziale Arbeit im Fußball – Theorie und Praxis sozialpädagogischer Fanprojekte

Seit weit mehr als 30 Jahren gibt es nun schon Soziale Arbeit im Fußball und in den sozialpädagogischen Fanprojekten. Lange Zeit fehlte diesem speziellen Berufsfeld in der Sozialen Arbeit ein eigenes Grundlagenbuch mit wissenschaftlicher und fachlicher Beschreibung der Arbeit. Patrick Arnold und Jochem Kotthaus haben sich gemeinsam mit vielen Kolleginnen und Kollegen aus den sozialpädagogischen Fanprojekten sowie mit Experten und Expertinnen aus dem Fachgebiet Soziale Arbeit mit Fußballfans, der Aufgabe gewidmet eben dieses Grundlagen Buch zu erschaffen. Unter dem Titel: „Soziale Arbeit im Fußball – Theorie und Praxis sozialpädagogischen Fanprojekte“ erschien es jetzt beim Beltz-Juventa Verlag.

„Fanprojekte in Zusammenarbeit mit Fußballvereinen gewinnen zunehmend an Bedeutung – allein, es fehlt an der umfassenden Dokumentation und Analyse der Bedeutung für die Soziale Arbeit. Das ändert sich mit diesem Band: Gänzlich neu ist dabei die »Doppelperspektive« der Beiträge, die zum großen Teil von Praktiker_innen und Akademiker_innen gemeinsam verfasst wurden. Dabei beschäftigen sich die Beiträger_innen weitreichend mit der Arbeit der Fanprojekte und zugehörigen Themen, etwa Gewaltprävention, Unterstützung von Fans, Bildungsarbeit, antisexistischer Arbeit, aber auch Methodenkritik und Burn-out/Belastung der Mitarbeiter_innen. Ein Grundlagenwerk für die Fansozialarbeit!“

Weitere Infos zum Buch findet ihr auf der Seite des Beltz-Juventa Verlages.



Startseite Nach oben Seite Drucken